Ayahuasca

Ayahuasca ist eine Teemischung aus 2 psychoaktiven Pflanzen. Die verwendete Liane Banisteriopsis caapi wächst im El Oriente, dem Amazonasgebiet der Quequa Indianer. Sie wird zusammen mit den Blättern von Chacrona oder Challiponga gekocht.
In der Schweiz ist die Einfuhr als Heilpflanzen erlaubt. Wir treffen uns in einer kleinen Gruppe, um mit Hilfe der Seelenranke, wie Ayahuasca auch genannt wird, unterwegs zu sein. Wir wollen orgiastische Lebensfreude. Jeder hat dabei auch ganz persönliche Anliegen. Die Mutter aller Lehrerpflanzen ist den Indianern heilig. Uns soll sie erden und mit der Natur verbinden, die so stark spürbar ist im Amazonasgebiet. Die Indianer feiern auch Dorffeste mit Ayahuasca. Schwangere, Alte und Kinder trinken dabei von dem Heiltee.
Was brauche ich eigentlich wirklich um mich pudel wohl zu fühlen in meinem Leben? Das ist die zentrale Frage, die mich über die 3 Tage begleitet. Muss ich in einem großen Haus wohnen, per Handy erreichbar sein und modische Kleidung kaufen können? Schon zu Beginn der Reise falle ich aus der Normalität meines Alltags. Ich begebe mich auf einen Selbsterfahrungstrip zurück zur Mutter Erde, die von den Indianern als nährend und überlebenswichtig geachtet wird. Der moderne Mensch ist das einzige Lebewesen, das sich erinnern muss. Wo komme ich her, wer bin ich, wo will ich hin? Neurosen entstehen aus der unnatürlichen Lebensweise in der sogenannten Zivilisation, Indianer kennen sie nicht. Keine Zeit für Depressionen, wenn Anaconda, die Würgeschlange am Baum gegenüber hängt.
Am Freitagabend eröffnet Ruedi einen geschützten Rahmen für die Gruppe mit einer indianischen Pfeifenzeremonie. Geister und Ahnen werden gerufen. Sieben rituelle Züge nimmt er und hebt die Pfeife nach oben zum Vater Himmel und senkt sie nach unten zur Mutter Erde. Danach bestimmen wir unsere Absicht. Unsere Worte werden mit Bedacht gewählt. Es ist entscheidend mit welchen Sätzen wir ins Leben rufen, was uns am Herzen liegt. Die Seminarleiter Viola und Ruedi spüren nach, was wir in uns tragen und suchen mit uns nach der optimalen Formulierung. Zunächst wollen wir 2 Sätze finden, durch die sich uns der Einstieg in die Weisheit der Lehrerpflanzen eröffnet. Danach werden wir gefragt, wie wir am Sonntagnachmittag das Seminar verlassen wollen. Welches Ziel haben wir mit dem Wochenende erreicht?
Später am Abend tanzen wir mit verbundenen Augen über 2 Stunden zu dröhnenden Rhythmen der Naturvölker aus Afrika und Brasilien. Wir werden in eine Trance geleitet durch die Worte, die in unser Ohr dringen aus dem Mund von Viola. Ich sehe meine Mutter vor meinem inneren Auge. Was werfe ich ihr vor? Hat sie mich vernachlässigt? Ich spüre Wut und schreie sie heraus. Danach habe ich ihr vergeben und fühle mich ihr näher als je zuvor. Ich sehe die uralte Drachin vor mir, die ihr Maul öffnet, um mich zu verschlingen. Ich lasse mich darauf ein und verschwinde in ihrem Rachen, fast umgeworfen von ihrem heissen Atem. Ein Aspekt von Ayahuasca, in deren morphogenetischen Feld wir bereits stecken, zeigt sich da. Jetzt verstehe ich, warum sie Mutter Ayahuasca heisst. Es wird mir sehr warm, meine vor Aufregung kalten Füsse kribbeln höchst angenehm. Ich stampfe und verausgabe mich, bis es Zeit wird in die Traumzeit zu wechseln. Mit dem Hinweis, im Traum unser Anliegen weiter zu bearbeiten, verlassen wir schweigend den zeremoniellen Raum um ins Bett zu fallen.
In der Nacht begleiten mich Ängste. Ich erwarte, dass mir kotzübel werden wird durch den bitteren Tee. Mein Widerstand gipfelt in dem Wunsch mich zu drücken vor der Erfahrung durch geputzt zu werden. Ich will mich herausreden, in dem ich einen empfindlichen Magen vorgebe und weiss gleichzeitig, dass es so nicht geht. Ich träume von einem weissen offenen Rolls Royce mit himmelblauen Sitzen. „Das ist ein starkes Seelenbild.“, erklärt mir Ruedi in unserer ersten Sitzung am Vormittag. Ich soll dem nachgehen und mir wünschen, dass mir die Bedeutung dieses Symbols klar wird. Unruhig und kurz habe ich geschlafen und freue mich aufs Frühstück mit herrlich duftendem selbstgebackenem Früchtebrot von Johanna. Kaffee gibt es nicht, er würde Übelkeit hervorrufen im Zusammenwirken mit Ayahuasca. Am Samstagvormittag dürfen wir die Erfahrung machen, wie es sich anfühlt absichtslos berührt zu werden. Wir ziehen Symbole um eine Zweier- und eine Dreiergruppe zu bilden. Mein Gegenüber, ein sehr liebenswerter, schüchterner, junger Mann, fängt an meine Füße mit heißen Kräuteröl einzureiben. Er soll sich dabei vorstellen, dass heilende Energie der großen Mutter durch ihn in mich fließt. Nicht er als Mensch berührt, sondern Etwas, das mächtiger und weiser ist. Im Austausch beginne ich später den Nacken von meinem Partner zu berühren. Musik, die langsam und beruhigend ist, läuft im Hintergrund. Ich erlebe eine Art Trance, die mich meine Hände nicht mehr als „allein meins“ wahrnehmen lässt. Ich massiere nicht, ich habe keine angelernten Griffe parat. Es fehlt meine übliche Heilungsabsicht, die mich gezielt an Verhärtungen festhalten lässt, die bearbeitet werden müssen. Neu für mich ist, dass meine Hände ein Eigenleben führen, irgendwie magnetisch verbunden mit der Haut des Empfangenden. Es entsteht ein Gefühl des Eins seins der Körper, die es mir erlaubt, völlig ohne Kraftaufwand und Ermüdung zu geben. Ich streiche wie von selbst auch mit meinen Unterarmen über den ganzen Rücken.
Später erhalte ich ein positives Feedback, das mich sehr freut. So kann Körperarbeit stattfinden, die Menschen öffnet und aus ihren seelischen Panzerungen befreit.
Die Ayahuasca Einnahme ist für neun Uhr abends geplant. Wir haben ein leichtes vegetarisches Abendessen gegessen, um Kraft für die lange Nacht zu haben. Fleisch ist tabu, basische Kost ist die ideale Vorbereitung für die Zeremonie.
Ich erwarte aufgrund einer früheren Erfahrung mit Cannabis in einen Rauschzustand zu geraten. Ich erhoffe Entgrenzung und fürchte mich auch ein bisschen davor total auszuflippen und die Kontrolle zu verlieren. Nichts dergleichen passiert. Ich erinnere mich, dass Berauschung bei der Zubereitung keineswegs als Absicht auf den Pflanzensud übertragen wurde. Viola, die den Tee rituell über 30 Stunden gekocht hat und dabei ihre eigens empfangenen Ayahuascalieder sowie Heillieder aus dem spirituellen indianischen Weg „the blessed beauty way“ gesungen hat, will keine Drogenerfahrung bewirken für ihre Seminarteilnehmer. Ihr ist es wichtig, dass Ayahuasca eine Heilpflanze ist, die zwar in einen veränderten Bewusstseinszustand führt, der aber nur dazu dient, Fragen zu klären, die im normalen Tagesbewusstsein unbeantwortbar bleiben. Die Indianer heilen mit Ayahuasca viele körperliche Leiden.
Viola gibt jedem ein kleines Glas zu trinken. Sie bittet uns dabei, unsere persönlichen Anliegen für die bevorstehende Lehrerpflanzenreise mit einem kleinen Gebet an Ayahuasca auszusprechen. Einen kurzen Moment bleiben wir still mit verbundenen Augen sitzen. Währenddessen wird der Raum um dekoriert. Felle von Wolf, Biber und Marder liegen bereit und jeder von uns erhält eine Räucherung mit Heilkräutern, Harzen und speziellen Hölzern. Die Augenbinde fällt und wir tanzen. Ich komme nicht in Trance wie am Vorabend. Sehr klar bleibt mein Verstand, meine Bewegungen kontrolliert, wie gewohnt. Wir laufen entlang einer durch Kerzenlicht markierten liegenden Acht. In der Mitte, an der Grenze diesseitige Welt und Anderswelt, steht als Symbol die hölzerne Schlange, welche sich wie die Liane um einen Stock windet.
Ich warte auf irgendeine Wirkung, die nicht eintritt. Als die Musik stoppt und wir kurz stehen bleiben, stehe ich direkt neben der Schlange. In mir höre ich: „ Du bist eine Grenzgängerin zwischen den Welten.“ „Aha!“, denke ich und bilde mir ein, dass das nur ein wirrer Geistesblitz war. Mir fällt ein, dass ich auch um Heilung gebeten hatte für wandernde Schmerzen. Ich erwartete eine Erstverschlimmerung, wie in der Homöopathie. Statt dessen erlebe ich ein sanftes Durchwärmen der schmerzenden Stellen. Die Kopfschmerzen lassen langsam nach. Meine seit einem Jahr schmerzende Schulter fühlt sich an, als hätte man einen vergifteten Pfeil aus ihr entfernt. Ich fühle mich wohl und topfit. Ich kann glauben, dass das Immunsystem nachhaltig profitiert durch Ayahuasca. So fühlt es sich an für mich. Nach einer Stunde habe ich genug und will eigentlich aufhören. Die Zeremonie könnte nun beendet werden. Ich will schlafen gehen, zufrieden mit dem Erlebten. Aber nun steht Viola vor mir mit einem zweiten Glas, diesmal die doppelte Menge einer anderen Zubereitung. Ich will es nicht trinken, aber dann doch. Es schmeckt sehr bitter im Gegensatz zu ersten Ayahuascamischung, die angenehm süßlich war. Später erfahre ich, dass dieser Trank dreimal so stark ist, wie die vorherige. Wieder berauscht es mich nicht. Ein bisschen ausgelassener wird mein Tanz. Als wir pausieren, um uns unsere Fragen wieder ins Gedächtnis zu rufen, bin ich überwältigt. Es rauscht nur so. Eine Frage nach der anderen taucht in meinem Hirn auf und sofort fallen mir Antworten zu. Ein innerer Dialog entsteht, völlig klar und direkt spricht „Etwas“ mit mir. Ich höre keine Stimme von Außen, ich sehe keine visionären Bilder oder überirdische Farben. Als ob ein nüchterner Lehrer neben mir steht, flüstert es in mir Erkenntnisse, die ich erhalten wollte. Es reicht, die Reise klingt aus mit langsamerer Musik. Wir sitzen nochmals still und landen sanft, wie es Viola ausdrückt.
Zum Abschluss gibt es eine stärkende Gemüsesuppe. Ein bisschen neben der Kappe bin ich doch, merke ich. Ich muss laut lachen, weil die Suppe nicht auf dem Tisch steht und ich mich vor den leeren Teller gesetzt habe, anstatt die Suppe vom Herd zu nehmen und auf den Tisch zu stellen. Die Nacht ist geprägt von intensiven Träumen, jetzt steigen Traumbilder auf, auf die ich während der Zeremonie vergeblich gewartet hatte.
Am Sonntag gibt es eine Integrations-Schwitzhütte. Die Seminarhausleiterin Johanna Probst hat vier Schwitzhütten um einen Feuerplatz gestellt. Wir legen Wolldecken auf die Nordhütte. Sie wird durch unser Ritual zur Südhütte mit den Qualitäten des Südens. Erlöst aus dem Kessel der Mutter Erde wird man neu geboren, indem man durch das Tor kriecht und blickt nach Süden.
Ich werde erneut ängstlich, weil es so eng aussieht in der Schwitzhütte. Zehn Menschen sollen hinein passen? Das Ritual beginnt mit einer Reinigung durch in die Aura gefächelten Rauch. Nackt krabbelt einer nach dem anderen durch die schmale Öffnung. Die im Feuer erhitzten Steine werden mit einer Grabgabel gebracht. Johanna setzt sich an die Schwelle und wirft ein paar Kräuter auf die glühenden Steine. Der Rauch beisst in den Augen und im Hals. Meine Bronchien werden eng, ich bekomme Atemnot. „Nur nicht jetzt schon aufgeben!“, denke ich mir. Die Decke wird heruntergezogen und es ist stockfinster in der Hütte. Johanna gießt ständig Wasser über die Steine und spricht dabei Anrufungen an die verschiedenen Kräfte der Natur und der Geisterreiche. Ich fühle mich gut durch gekocht nach der ersten Runde. Drei weitere folgen. Neue heiße Steine werden gebracht. Ich muss mich hinlegen, sonst würde ich flüchten. Ameisen beißen mir in den Hintern. Unangenehm und faszinierend gleichzeitig wirkt dieses Ritual auf mich. Wir sollen, während wir schwitzen und tropfen im Dunkeln, die erlebten Bilder wieder in uns aufsteigen lassen: „Was war unser Anliegen, wie waren die Antworten und wie bringen wir das Erhaltene in die Welt, in die wir heute noch zurückkehren?“
In der dritten Runde wird der Dampf extrem dicht. Ich sehe meine Drachin wieder, sie pustet mir mit ihrem Rauch jede Zelle durch. Ich fühle mich wie in der Gebärmutter der Natur, hockend und demütig. Nach der vierten Runde kriechen wir hinaus auf die Wiese, lassen uns einfach fallen und ruhen aus.
Saranyu, mit freundlicher Genehmigung der connection

Mutter Ayahuasca, ein Erlebnis

Orgiastisches Lebensfeuer war das Thema des Wochenendes, das von einem Mann und einer Frau geleitet wurde. Er hatte viel Erfahrung mit indianischen Zeremonien, sie hatte bei Don Enrique in Ecuador den Umgang mit Ayahuasca gelernt. Vor zwei Jahren hatte sie die Erlaubnis erhalten, selbst damit in Europa zu arbeiten. Sie hatte zwei Sorten Ayahuasca mitgebracht, die nach verschiedenen Rezepten und zu verschiedenen Zwecken gebraut worden waren.

Wir begannen am Freitagabend mit einem Abendessen. Dann wurde der Kreis mit einer Pfeifenzeremonie eröffnet. Das Ziel war vorerst, Energie zu gewinnen und das eigene Vorhaben zu klären. Nach wenigen Worten tanzten wir während mindestens zwei Stunden. Die Tanzreise ging zuerst in den Garten der Mütter, dann in den Garten der Väter und zuletzt zur Gabe des Kindes.
Am nächsten Morgen hatten wir Zeit für einen Spaziergang in der Natur um dem nachzuspüren, was wir erlebt hatten und um den Weg zu einer klaren Absicht für die Ayahuascazeremonie zu suchen. Im Kreis teilten wir unsere Erfahrungen. Dann machten wir eine bewegte Chakra-Meditation um nach jenen Stellen zu suchen, an denen wir von andern Kursteilnehmern mir warmem Öl berührt werden wollten.
Dann wurden wir ins Freie hinausgeschickt. Wir bekamen die Empfehlung, alles laut zu sagen, was wir dachten. Gleichzeitig sollten wir auch die genaue Frage an Mutter Ayahuasca finden und erst noch einen Gegenstand mit heimbringen, der uns an diese Frage erinnerte. Eigentlich klar, dass das zu viel auf einmal war und somit wurde das Gehirn etwas aufgeweicht.
Nach einer leichten Malzeit bekamen wir wieder Traumzeit für uns selbst. Abends um halb neun trafen wir uns im Gruppenraum. Die Reiseabsicht wurde klargemacht und dann begann der Hauptteil mit einer weiteren Pfeifenzeremonie. Nun bekam jede(r) seine Portion aus der einen Flasche. Mit dem Tee in der Hand sagten wir unserer Absicht laut und tranken den etwas bitteren Trank.
Zu Musik tanzten wir in einer Achterfigur. Zwischen den beiden Kreisen stand ein Schlangenstab mit einer nach unten strebenden Anakonda und einer aufsteigenden Kobra. Das Lebensfeuer wurde angeheizt. Nach einer guten Weile hielten wir inne um in der Ruhe den Reaktionen des Körpers und seinen Botschaften nachzugehen. Dann tanzten wir wieder. Noch wilder und mit mehr Kraft. Nach einer weiteren Meditation in Ruhe bekamen wir unsere Portion aus der zweiten Flasche. Diese war bitterer als die erste. Dann kam die Zeit für den orgiastischen Tanz.
Als die Wirkung der zweiten Portion einsetzte, setzten wir uns in Stille nieder. Wir waren damit beschäftigt zu beobachten, was nun geschah, zu fragen und auf Antwort zu warten. Zuletzt sangen wir gemeinsam ein Lied und verliessen den Zeremonienraum. Es war nun ein Uhr nachts. Schweigend assen wir zusammen einen Teller Suppe, gingen zu Bett und hofften auf Träume.
Am andern Morgen aßen wir ein kleines Frühstück, entzündeten ein Feuer, legten Decken über das Schwitzhüttengerüst und hatten noch genug Zeit für einen kleinen Spaziergang in der Natur. Dann hatten wir zusammen eine Schwitzhütte und zuletzt wurde die ganze Zeremonie mit einem weiteren Pfeifenritual abgeschlossen.

Ja, das also der Bericht. Und ich? Bis zu dem Zeitpunkt, als wir die zweite Dosis tranken, dachte ich, dass ich auch für mich allein ekstatisch tanzen könne und dass ich mit einer Trommelreise viel leichter zwischen die Welten reisen könne als mit diesem bitteren Trank. Aber in der Stille nach dem wilden Tanz veränderte sich das Bild. Es kamen keine farbigen Muster oder eigenartige Laute. Ich wurde ganz einfach klarsichtig. Jede gestellte Frage wurde mit einer Sicherheit beantwortet, wie ich das früher nie erlebt hatte.
Im Bett bekam ich einige farbige Muster zu sehen und schlief dann ein. Ohne Träume. Ein tiefer, heilsamer Schlaf. Ich bin sehr dankbar, dass so etwas erleben durfte.
Walter, Mediziner, August 2006